Samstag, 22. Juni 2013

Mamas Dilemma || Mummy's dilemma

Meine Tochter, ihr Kopftuch und ich ||
My daughter, her head scarf and me
 

Du glaubst also, dass Hijab aus der Überzeugung, dass es von Gott vorgeschrieben und Teil dieses Dins ist, getragen werden sollte?

Du denkst, dass eine Frau die Entscheidung, sich zu bedecken (oder auch nicht), aus freiem Willen treffen sollte.

Du erklärst, dass es bewusster Akt, eine informierte Entscheidung, eine wohl durchdachte Wahl sein sollte.

So you believe hijab should be worn out of the conviction that it is prescribed by God and part of this deen?

You think a woman should make the decision to cover (or not) of her own free will. 

You explain it should be a conscious act, an informed choice, a well thought through decision.

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Und nein, natürlich sollen Kinder kein Hijab tragen. Es gibt keinen Grund dafür. Ein kleines Mädchen ist keine Frau, da gibt es nichts, was zu bedecken wäre.

Du weist auf die Gefahr, kleine Mädchen durch eine aufgezwängte Kleiderordnung zu übersexualisieren und ihre Körper zu objektifizieren, hin.

Du unterstreichst das Risiko, dass sie eines Tages, wenn sie alt genug sind, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen, von Hijab nichts mehr wissen wollen, weil es ihnen aufgezwungen wurde, als sie noch Kinder waren (und damit sowieso nicht verpflichtet, es zu tragen). Du erwähnst, dass sie so eines Tages das Bedürfnis entwickeln könnten, all die Dinge, die ihnen als Kinder veweigert wurden, später nachzuholen.

And no, of course, children should not be made wear hijab. There is no reason for it. A little girl is not a woman, there is not anything worthy covering.

You stress the danger of oversexualising little girls and objectifying their bodies by imposing hijab on them. 

You highlight the risk of them abandoning hijab altogether (once they are old enough to make their own choices) because it was forced on them when they were children (and not required to wear it anyway). You mention they might feel the need one day to catch up on all the things that were denied to them as children.

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Und dann bittet dich deine kleine Tochter, ihr ein Kopftuch umzubinden, und als es Zeit ist, das Haus zu verlassen, weigert sie sich, das Tuch auszuziehen.

Was tust du?

And then your little daughter asks you to put on a head scarf on her, and when it is time to leave the house she refuses to take the scarf off.

What do you do?

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Es war nicht das erste Mal, dass mir das passierte. Beim letzten Mal, vor anderthalb Jahren (P-linchen war noch jünger als sie es jetzt ist!), lebten wir in Wien in einem Teil der Stadt, in dem Kopftuch tragende Musliminnen ein alltäglicher Anblick waren. Wir wollten zum Abendessen eine Gruppe türkischer Freunde in einem türkischen Restaurant treffen. Als das P-lichen darauf bestand, das Kopftuch, das sie mich vorher gebeten hatte, ihr umzubinden, damit sie "wie Mama beten" konnte, anzubehalten, versuchte ich eine Weile, ihr die Idee wieder auszureden, aber gab schließlich nach und erlaubte es ihr. Unsere Freunde, von denen der Großteil selbst Hijab trug, waren ganz begeistern vom P-linchen in ihrem kleinen rosa Kopftuch (sie sah aber auch süß aus damit!) - doch selbst sie waren erstaunt, als ich ihnen später erzählte, dass es P-linchens Wunsch gewesen war, das Tuch zu tragen und dass ich anfangs überhaupt nicht begeistert von der Idee gewesen war. Sie hatten alle gedacht, ich hätte ihr das eingeredet.

It was not the first time this has happened to me. Last time, one and a half years ago (little P was even younger than now!), we lived in Vienna in a part of town where hijabis where a common sight. We were going to have dinner with a goup of Turkish friends in a Turkish restaurant - so when little P insisted on keeping on the head scarf that she had asked me to put on her so that she could "pray like Mummy", I tried for some time to talk her out of it but finally resigned and gave in. Our friends, the majority of which did wear hijab, were all excited to see little P sporting her little pink head scarf (and God, did she look cute in it!) but even they were surprised when I told them later that it had been little P's wish to wear the scarf and that I had initially not been to fond of the idea. All of them thought I had talked her into wearing it.

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Und genau das war der Grund, weshalb ich nicht wollte, dass das P-linchen ihr Kopftuch anließ, als ich vor ein paar Tagen in fast der selben Situation wieder wiederfand. Das P-linchen hatte ein Kopftuch angezogen, um mit mir zu beten. Jetzt, wo wir auf den Spieplatz gehen wollten, weigerte sie sich, es auszuziehem. 

Argh, was machst du in solch einer Situation?

And that is precisely the reason why I did not want to let little P keep her head scarf on when a couple of days ago again I found myself in a very similar situation. Little P had put a scarf on to pray with me. Now that we wanted to go to the playground, she refused to take it off.

Argh. What do you do in such a situation?

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Ich wusste, dass, wenn wir so das Haus verließen, in eine Gegend, in der ich kaum mal eine andere Kopftuchträgerin sehe, die Leute vom Schlimmsten ausgehen würden. Sie würden denken, dass das arme kleine P-linchen von ihren extremistischen Eltern, die ihm eine unbeschwerte Kindheit verwehren, dazu gezwingen wird, Kopftuch zu tragen. Es wäre etwas anderes gewesen in unserem alten Viertel in Wien. Es wäre in Ostlondon etwas anderes gewesen. Aber hier, in diesem Teil unserer Stadt in Deutschland, würde es die schlimmsten Annahmen, die die Leute über Muslime und Kopftuchträgerinnen haben, bestätigen. Das wollte ich ganz bestimmt nicht.

I knew that if we left the house like this, in an area where I hardly ever see a fellow hijabi, people would assume the worst. They would think poor little P was being forced to cover by her extremist parents who were depriving the pitiable child of a carefree childhood. It would have been different in our old neighbourhood in Vienna. It would have been different in East London. But here, in this part of our town in Germany, it would confirm people's worst assumptions about Muslims and hijabis. I certainly did not want this. 

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Aber anderseits, wollte ich nicht, dass das P-linchen Hijab als etwas Schönes betrachtet? Wollte ich nicht, dass sie stolz ist, es zu tragen? Wollte ich sie nicht dazu ermutigen, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen? Dachte ich etwa nicht, dass man als Eltern seinem Kind nur das vorschreiben sollte, was wirklich notwendig ist, und ihnen, wenn immer möglich, die Freiheit lassen sollte, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen?

But then, didn't I want little P to be excited about hijab? Didn't I want her to be proud to wear it? Didn't I want to encourage her to make her own choices? Didn't I think that as parents we should impose on our childen only what is truly necessary and let them make up their own mind whenever possible?

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"Nein, P-linchen, das kannst du nicht draußen tragen."

"Warum nicht, Mama?"

"No, little P, you cannot wear this outside."

"Why not, Mummy?"

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Ich zögerte, stotterte, sagte etwas, fügte noch etwas hinzu und brachte schließlich eine Erklärung hervor, die sich, ich war überrascht, einmal ausgesprochen, besser anhörte, als ich es erwartet hatte: "Hijab ist nichts für kleine Mädchen, P-linchen, das kannst du tragen, wenn du so groß wie die Mama bist". Das P-linchen nickte veständnisvoll. Ich war erleichtert, als sie endlich das Kopftuch abnahm. Aber gut angefühlt hat es sich nicht.

I hesitated, stuttered, said something, added something else and came up with an explanation that, I was surprised, once uttered sounded better than I had expected: "Hijab is not for little girls, little P, you can wear it when you're big like Mummy". Little P nodded understandingly. I was relieved when she finally took her head scarf off. But it did not feel good. 

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Du bist also dagegen, Kindern Hijab aufzuzwingen, weil du meinst, dass das ihre persönliche Freiheit beschneidet, drängst aber deine Tochter dazu, es nicht zu tragen - anstatt ihr eine freie Entscheidung zuzugestehen?

Gut angefühlt hat es sich nicht.
 
So you are against imposing hijab on children because you think it limits their personal freedom, but then you manipulate your daughter into not wearing it instead of leaving the decision to her? 

It did not feel good.
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9 Kommentare:

  1. *Schluck* Das ist ein wirklich heftiges Dilemma, und da bin ich froh Katholisch zu sein wo so eine Frage höchstens in einem (u.U. leicht zu verdeckbaren) Kreuz an einer Halskette bestünde, den wie damit umzugehen bzw. sich gut zu fühle wüsste ich nicht....

    Jruß us der Diaspora
    Et Katerle aka Drachenkater

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  2. Hallo Drachenkater,

    danke für deinen Kommentar! Klar würde es dir als Katholik nicht passieren, eine Antwort auf die Bitte deiner Tochter, mit Kopftuch das Haus verlassen zu dürfen, finden zu müssen - aber im weiteren Sinne sind wohl die meisten Eltern mit ähnlichen Fragen konfrontiert. Kind will so, ich anders - tja, und dann heißt es halt zu schauen, wie weit ist man bereit, sich tatsächlich nach den Werten, die man theoretisch gerne hochhält (Freiheit, Selbstbestimmung usw.), zu richten... Auslöser kann da ein kleines Kopftuch sein oder ein rosa Rock, der mit grünem T-Shirt und gelben Strumpfhosen kombiniert werden soll - oder was ganz anderes.

    Na ja, ein spannendes Thema!

    Gruß zurück,
    Philippa

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  3. Hallo Philippa,
    ich habe ähnliche Diskussionen mit meinem Großen... Er ist 14 und liebt Shirts mit Band-Logo und möglichst ekligen Monstern. Ich entscheide in letzter Instanz, weil er manchmal die Folgen nicht überblicken kann. - Aber es gab und gibt immer wieder Diskussionen, wenn ich gegen ein Shirt entscheide, dass er unbedingt haben "muss".
    Im Grunde nicht anders als bei Dir und Deiner Tochter. Bei aller freien Entscheidung kann ein Kind noch nicht genau überblicken, wie es auf andere wirkt.
    Du willst ihr ja nicht die Entscheidungsfreiheit nehmen, sondern sie beschützen. Insofern finde ich das Argument, "wenn Du groß bist" in dem Zusammenhang richtig und sinnvoll.
    Liebe Grüße
    Michaela

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  4. Liebe Michaela,

    danke für deinen Kommentar! Ich bin halt gerade am Überlegen, wie wichtig es eigentlich ist (sein sollte), was andere denken. Finden Sie die ekligen Monster oder das Kopftuch halt unmöglich. Aber ist das wirklich so schlimm? Wirklich eine Antwort gefunden habe ich noch nicht, und vielleicht muss man es auch einfach immer von Fall zu Fall entscheiden.

    Lieben Gruß
    Philippa :)

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  5. Liebe Philippa,
    ist das nicht eine der alles entscheidenden Fragen? ;-) Da setze ich mich schon seit Jahren mit auseinander... Ich war mit 20+ ein echter Gothic, nur in schwarz, rasierte und toupierte Haare und alles was dazugehört. Daher weiß ich, wieviel Kraft es kostet, sich den anderen immer und immer wieder entgegen zu stellen. Und ich glaube, dass man/frau dafür alt genug sein sollte.
    Wie oft bekommst Du dumme Sprüche für Dein Hijab? Wie oft bekommst Du keine Chance, Dich zu erklären, weil Dein Gegenüber eine vorgefertigte Meinung hat? Könnte das Deine Tochter auch wegstecken?
    Grundsätzlich hast Du Recht, es sollte egal sein, weil eigentlich niemand nach seinem Äußeren beurteilt werden sollte. Leider ist es meist anders.
    - Kennst Du den Scary Guy? Sehr spannender Typ. :-)
    Liebe Grüße
    Michaela

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  6. Liebe Michaela,

    ich bin mir wirklich nicht sicher. Es ist keine einfache Frage. Werd da wohl noch eine Weile mit beschäftigt sein :)

    Lieben Gruß
    Philippa

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  7. Sehr interessanter Artikel. Ich (keiner Religionsgemeinschaft angehörend) lebe in einem Viertel mit vielen Muslim_inn_en, sehe öfter kleine Mädchen mit Kopftuch und habe das so noch nie betrachtet.

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  8. Hatte ich auch nicht. Bis ich selbst in der Situation war. :)

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  9. Hatte ich auch nicht. Bis ich selbst in der Situation war. :)

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Danke für eure Kommentare, aber bitte denkt dran, dass dies ein anonymer Blog ist, also falls ihr mich persönlich kennt, bitte nennt hier meinen Namen (oder andere persönliche Details) nicht!

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